Straubinger Theatergeschichte
Bereits im Straubing der Römerzeit dürften, wenn auch archäologisch nicht nachweisbar, hölzerne Bühnen gestanden haben, auf denen ausschließlich männliche Darsteller mit Komödien oder Tragödien, mit pantomimischen Elementen die Bevölkerung unterhielten. Auch für ein „Theaterleben" im mittelalterlichen Straubing gibt es bisher keine Quellen. Erst für 1580 ist anlässlich der Huldigung für den neuen Stadt- und Landesherrn Herzog Wilhelm V. eine Theateraufführung überliefert: Unter Leitung des „Magisters auf der lateinischen Schule" wurde im Herzogsschloss eine „extremi judicii comoediam", ein Spiel vom Jüngsten Gericht, geboten. Das Schultheater hat in Straubing also eine lange Tradition, wobei sich hier besonders die Jesuiten in ihrem 1631 eingerichteten Gymnasium im Sinne der religiös-moralischen Erziehung engagierten. Auch die Marianische Männerkongregation widmete sich bereits kurz nach ihrer Gründung im Jahr 1646 Schauspielen zu Weihnachten oder zur Einführung eines neuen Präfekten.
Seit dem 18. Jahrhundert sind in Straubing wandernde Schauspielertruppen oder Studentengruppen nachweisbar, die Komödien und Tragödien, Weihnachts- und Fastnachtsspiele aufführten; auch einheimische Handwerker oder Soldaten boten „Liebhabertheater". Sie traten in Wirtshäusern, Kirchen, Schulsälen oder – mit Erlaubnis der Ratsherren – in der Ratstrinkstube im östlichen Stadtturmanbau, „auf dem Brodhaus", einem Raum im westlichen Stadtturmanbau, und im Rathaussaal auf. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es neben den Gastspielen auswärtiger Schauspieler auch eine rührige Theaterliebhabergesellschaft; bei ihr spielte 1829 mit Begeisterung und Talent der Maler Carl Spitzweg mit, der als Apothekengehilfe in Straubing arbeitete. Als wichtiger Aufführungsort etablierte sich auch der „Kronensaal" im Gasthaus zur Goldenen Krone am Ludwigsplatz und ein vor 1830 speziell für Theaterzwecke umgerüsteter Saal im Gasthaus zur Alten Post in der Seminargasse, der auch offiziell als „Stadttheater" bezeichnet wurde. Bestrebungen des damaligen Bürgermeisters Gottfried Kolb, im Weinstadel in der Rosengasse ein richtiges und ständiges Theater zu errichten, scheiterten.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gründete sich eine Vielzahl an Gesellschafts-, Bildungs- und Sportvereinen, deren Mitglieder zur Unterhaltung Theater spielten. Besonderen Bekanntheitsgrad und überregionalen Ruf genossen dabei die Aufführungen der katholisch-sozialen Standesvereine, insbesondere des Katholischen Gesellenvereins und des Katholischen Arbeiterinnen- und Dienstmädchenvereins, die über eigene große Bühnen im Gesellenhaus in der Donaugasse und im Arbeiterinnenheim in der Bürg verfügten.
Theaterzettel einer Aufführung des Katholischen Gesellenvereins von Martin Greifs „Agnes Bernauer“, 1913 (Gäubodenmuseum Straubing Sammlung Bernauer von Hedwig und Erwin Böhm)
1875 erwarb der Straubinger Gewerbeverein den ehemaligen „Emmeramer Kasten" am Theresienplatz – hier hatte das Regensburger Kloster St. Emmeram seit dem Mittelalter die Getreideabgaben seiner Grundholden gesammelt – und baute das mächtige Anwesen zum „Gewerbehaus" mit Ausstellungs- und Versammlungsräumen um. Da 1876 das Gasthaus zur Alten Post verkauft worden war und damit auch das „Stadttheater" seinen Platz verloren hatte, richtete der Gewerbeverein – nach langen Verhandlungen mit der Stadtobrigkeit – dort außerdem ein Theater mit Bühne und Logengalerie ein. Es wurde am 12. November 1881 mit Musik und der Aufführung von „Nichte und Tante, Lustspiel in 1 Akt von Görner" sowie „Die schöne Müllerin, Lustspiel in 1 Akt, nach dem Französischen von Schneider" eröffnet. Ein „Theatercomitee" aus Mitgliedern des Magistratsrates und des Gemeindekollegiums war nun für die Ausstattung und das Programm verantwortlich. 1901 verkaufte der Gewerbeverein das Anwesen samt Theater an die Stadt Straubing. Bespielt wurde das Theater, das 420 Personen Platz bot, bis in die 1920er Jahre hinein vor allem durch das Ensemble des Regensburger Stadttheaters, aber auch immer wieder von anderen Gastspieltruppen, wobei hier vor allem der Straubinger Dürerbund bei der Organisation mitwirkte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verpachtete die Stadt das Theater an den später weltbekannten Schauspieler Curd Jürgens. 1952 trat man, verbunden mit einer gründlichen Renovierung des Theaters, schließlich dem „Zweckverband Niederbayerisches Städttetheater" bei, der seitdem – heute als „Landestheater Niederbayern" – Schauspiel, Oper, Operette und Musical bietet.
1922 war in den „Emmeramer Kasten" auch die Stadtsparkasse eingezogen; Anfang der 1980er Jahre wurde der Gebäudekomplex dann zur Hauptgeschäftsstelle der Sparkasse Straubing-Bogen, heute Niederbayern-Mitte, umgebaut. Dabei riss man im Juli 1980 auch das Stadttheater ab. Zum neuen, vorläufigen Spielort bestimmte der Stadtrat die Gewerbehalle am Hagen. Sie war 1949 vom Gewerbeverein als Ausstellungshalle in Eisenbetonkonstruktion errichtet worden, nachdem der hölzerne Vorgängerbau aus dem Jahr 1925 abgebrannt war. Seit 1956 im Besitz der Stadt und als Stadt- und Turnhalle genutzt, wurde das Gebäude am 7. Januar 1981 als „Theaterprovisorium" mit einer Aufführung der komischen Oper „Der Barbier von Sevilla" von Gioachino Rossini eröffnet. Nach mehrjährigen Modernisierungs- und Umbauarbeiten steht es seit 2005 als professionelles Theater zur Verfügung.
Dr. Dorit-Maria Krenn, Stadtarchiv Straubing
Literaturhinweis: Josef Behner/Josef Keim, Beiträge zur Straubinger Theatergeschichte, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für Straubing und Umgebung 1941-1948 (44.-51.Jg.), Straubing 1949, S. 3-111
Theaterzettel für die Aufführung des Stückes von Curd Jürgens „Geliebter Michael“ im Stadttheater, 1946 (Stadtarchiv Straubing Sammlung Varia 462)
Der ehemalige Emmeramer Kasten am Theresienplatz, in dem von 1881 bis 1980 das Stadttheater untergebracht war (Foto um 1930, Stadtarchiv Straubing Fotosammlung Rohrmayr 1156)